Zuerst wurden die Wege wie selbstverständlich zu Fuß zurückgelegt - auch in der Nacht -, später mit dem Fahrrad, in den letzten Jahren wurde sie mit dem Auto geholt.
Ihr Mann wurde 1945 von den anrückenden und schießenden Amis aus Versehen erschossen, als er gerade in seine Scheune gehen wollte, um nach dem Rechten zu sehen.
Die Mutter der Hebamme war Luise Hofmann. Sie war Köchin in Wiesbaden gewesen. Später nahm sie Sommerfrischler auf. Ich bin eine Nichte der "Storchentante" und pflegte sie bis zu ihrem Tode 1987. Sie wurde fast 90 Jahre alt.
Anna:
Ich stamme aus Cratzenbach. Während des Krieges arbeitete ich neben der eigenen Landwirtschaft im Wald. Wir waren immer 15 bis 20 Frauen. Es wurden Fichten gepflanzt, im Sommer Gras ausgeschnitten, im Herbst die jungen Fichten geteert gegen Verbiss. Der Stundenlohn betrug zuerst 18 Pfennige, 1941/42 stieg er auf 25 Pfennige, dann stieg der Lohn langsam an. Heute {1991) gibt es etwa 12 DM Stundenlohn und wir sind sozialversichert.
1949 heiratete ich Willy Hofmann und kam nach Merzhausen. Willi war kriegsversehrt, er verlor einen Arm. Morgens arbeitete ich weiter im Wald, ab Mittag in Haus, Hof und auf dem Feld.
Kennen gelernt haben wir uns beim Tanzen in der Erbismühle bei der Hochzeit von Schmickerts Albert. Nach der Hochzeit wohnten wir zuerst bei Willys Eltern im Haus neben der Schmiede ohne eigene Küche und ohne eigenes Wohnzimmer. Nach 7 1/2 Jahren zogen wir ins Backhausgässchen zu Willys Tante, der ,,Storchentante". Sie wurde im Dorf und seiner Umgebung sehr verehrt, war weltoffen und manchmal durfte ich mit ihr verreisen. Die Kinder kamen dann zur Schwiegermutter.
Von 1966 bis 1972 arbeitete ich auch im Rathaus und führte die Bücher der Gemeinde und war stellvertretende Standesbeamtin. Bürgermeister Reuter führte die Trauungen aus und ich war immer dabei. 1972 verlor unsere Gemeinde die Selbständigkeit und wurde ein Stadtteil von Usingen, was viele Merzhäuser nicht wollten.
Opa von Willy Hofmann, geschrieben von Anna Hofmann:
Wilhelm Hofmann, der Großvater meines Mannes, hat nach seiner Schmiedelehrzeit in Wiesbaden noch weiter als Geselle gearbeitet. Er wollte aber auch etwas von Deutschland sehen. Er ging auf Wanderschaft. Zuerst ging es an den Rhein, dann nach Süddeutschland bis an den Bodensee. Er hat aber zwischendurch immer wieder kurz gearbeitet oder er sagte seinen Handwerksspruch auf:
,,Es grüne die Tanne, es wachse das Erz, Gott schenke uns allen ein fröhliches Herz."
Dann bekam er vom Meister eine Gabe. Er wollte aber auch einmal über die Grenze und ging ohne Pass in die Schweiz. Nach drei Tagen musste er wieder zurück. Er wanderte wieder zurück über Baden, Schwarzwald, Hohenzollern bis nach Sachsen in die Hauptstadt Dresden.
Er war nun 20 Jahre alt und musste Soldat werden. Bei dem sächsischen Feldartillerie Reg. Nr. 9 in Dresden diente er von 1893 - 1895. Dieses Regiment trug 1893 grüne Uniform Jacken und schwarze Hosen.
Als Wilhelm Hofmann an Weihnachten 1894 das erste Mal von Dresden in Urlaub kam, wurde er unterwegs in der Bahn von Offizieren und Soldaten gegrüßt, die diese Uniform nicht kannten. Er kam spät am Abend in Merzhausen an und ging in die Wirtschaft ,,Zur Sonne" (Balthasar HOH, später Bäckerei Willi Wirth *). Er trug seinen Tschako und die Gäste, die noch zur späten Stunde im Lokal waren, sprangen zum Fenster hinaus und in die Backstube, bis Wilhelm Hofmann alle wieder zurückrief. Dann wurde es Morgen, bis alle nach Hause gingen.
(* Heute Weilstraße 24)