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Morgens um 4 Uhr wurde aufgestanden, die Ware fertig gemacht und dann ging's los. Zuerst mit dem Pferdefuhrwerk nach Hausen, anschließend mit dem Zug weiter. Ich fuhr meistens mit.

Mein Vater hatte ein Schränkchen konstruiert mit einem Fach für Eis, damit die Ware auf dem langen Anmarschweg nicht verdarb.

AIs 1937 der Flugplatz eingerichtet wurde, hatten wir dann genug Kunden. Die Piloten des Richthofen Geschwaders haben in unserer Gastwirtschaft gern gegessen und getrunken. Ich konnte jetzt die landwirtschaftliche Schule in Usingen besuchen (nur im Winter) und lernte das Kochen gründlich in einer Gastwirtschaft in Kronberg.

Die politischen Veränderungen der Nazi-Zeit haben in Merzhausen keine großen Wellen geschlagen. Man akzeptierte sie allgemein als fortschrittlich. Ein Grund dafür war auch folgendes: Der beliebte Arzt Dr. Lommel in Rod am Berg, der von armen Leuten nie Geld genommen hat, war überzeugter Nazi und wurde 1933 sogar Landrat. Seine Meinung galt viel. In unserem Dorf lebten -anders als in Usingen - keine Juden, also wurde auch niemand verschleppt.

Feier am Pfingstborn:

Am 1. Pfingstfeiertag war am Pfingstborn immer eine kirchliche Feier. Alle Mädchen, die konfirmiert und aus der Schule entlassen waren, bildeten üblicherweise einen Chor, der von der Frau des Pfarrers geleitet wurde, und eröffneten mit Liedern die Feier. Dann gab es eine Andacht und die ganze

Gemeinde sang einen Choral. Die Mädchen brachten ein besonders hübsches Pfingstgläschen mit und tranken daraus nüchtern Pfingstbrunnenwasser, wovon man schöner werden sollte, dazu gab es die frisch gebackenen Pfingst-Kringe aus Hefeteig.

Zu Pfingsten gab es auch meist neue Kleider und Lackschuhe.

Sonntagsvergnügen:

Bei schönem Wetter machte die Jugend sonntags einen gemeinsamen Spaziergang. Es ging auf der Landstraße Richtung Usingen bis etwa Abzweigung

Wilhelmsdorf. Man ging in Reihen, immer eine Reihe Mädchen, eine Reihe jungen und dabei wurde gesungen. Zurück in Merzhausen gingen alle in die Wirtschaft und die jungen zahlten für die Mädchen, meist war ein Likörchen. Dieses Sonntagsvergnügen endete zunächst mit Beginn des Krieges.

Doch dann gesellten sich junge Männer dazu, die auf dem Flugplatz beschäftigt waren, wo auch einige Mädchen und Frauen in der Kantine arbeiteten. So entstanden manche Bekanntschaften und daraus etwa 15 Ehen.

Die Spinnstubb:

Im Winter kamen wir Frauen täglich zum Stricken und Handarbeiten jeder Art zusammen, jede Woche in einem anderen Haus. Dabei wurde viel erzählt bis etwa 10 Uhr. Dann kamen die jungen Männer dazu. Es wurde Musik gemacht, gesungen und getanzt. Dazu trank man selbstgemachte Erfrischungen und Aufgesetzten.

Im Krieg änderte sich das. Die jungen Männer waren fort und es wurde wieder mehr Wolle gesponnen und für die Soldaten gestrickt. Die fertigen Socken wurden gesammelt und mit dem Zug nach Weilburg gebracht zu einer zentralen Wollsammlung für Soldaten.

Es wurden auch kleine Kuchen gebacken und per Feldpost an die Front geschickt.

Zusätzliche Frauenarbeit während und nach dem Krieg:

Viele junge Frauen wurden dienstverpflichtet im Wald zu arbeiten. Des Weiteren mussten sie Ähren für Mehl, Bucheckern für Öl, Fingerhüte für die

Arzneiherstellung, Holunderbeeren für Sirup als Zuckerersatz sammeln. Die Holunderbeeren brachte Walter Struck mit seinem Holzvergaser-Auto nach Brandoberndorf und tauschte die Beeren gegen fertigen Sirup.

Durch den Flugplatz konnten die Frauen Fallschirmseide von den abgestürzten Fliegern zu allerlei nützlichen Dingen verarbeiten Z.B. auch zu Pullovern und Pullöverchen für Kinder, die kaum was zum Anziehen hatten. Manche strickten daraus auch eifrig Handschuhe, die zu Fuß nach Arnoldshain geliefert wurden. Dafür bekamen sie ein bescheidenes Entgelt.

Am Eggertshammer gab es eine Wollspinnerei. Dort arbeiteten bald eine Reihe von Merzhäuser Mädchen. Der Stundenlohn betrug 39 Pfennige bei Nachtschicht. Für gute Arbeit gab es manchmal Wolle geschenkt. Das war wertvoller als Bargeld, für das man ja fast nichts kaufen konnte, denn Wolle war ein beliebtes Tauschobjekt, außerdem konnte man damit die eigene Einkleidung bestreiten.

Weitere Arbeit wurde als Heimarbeit angeboten: Knöpfe mit Leder überziehen. Das war keine leichte Arbeit, denn die Finger wurden wund und verzogen sich.

Sozialversicherung fürs Alter:

Bei der Arbeit im Wald waren wir alle zwar unfallversichert, aber nicht sozialversichert, das war nicht üblich. ln meiner Zeit in Kronberg als Köchin war ich sozialversichert und erarbeitete mir später noch eine kleine Zusatzrente, weil ich 14 Jahre lang eine Tätigkeit in der Glühlampenherstellung bekam. Das war eine sitzende Tätigkeit, denn meine Beine wollten damals nicht mehr so richtig. So habe ich heute ein bescheidendes Auskommen und brauche meinen Söhnen nicht auf der Tasche zu liegen.

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